Test von Portait Objektiven: Canon 85/1,2II gegen Sigma 85/1,4


Objektive seitlich

Das klassische Canon 85/1,2II und das neue Sigma 85/1,4, zwei Objektive wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Die einzige Gemeinsamkeit ist die Brennweite und dass beide ihren Haupteinsatzbereich in der Portrait Fotografie finden werden. Wo liegen nun die großen Unterschiede?

Diagramm

Das Canon baut mit seiner Konstruktion auf dem seit vielen Jahrzenten für hoch lichtstarke Festbrennweiten bekannten doppel-Gauss Prinzip auf. Das Objektiv ist um die Blende weitestgehend symmetrisch gebaut. Die letze Linse ist allerdings fest mit dem Bajonett verbunden und fungiert beim Fokussieren als floating element, um Bildfehler über den ganzen Fokusbereich besser korrigieren zu können. Ein Nachteil ist, dass beim Fokussieren fast der ganze schwere Linsenblock verschoben werden muss, wodurch das Objektiv zu einem der langsamsten im ganzen Canon Sortiment wird.
Sigma geht hier einen ganz anderen Weg und baut eine moderne auf einem Teleobjektiv basierende Konstruktion. Ihnen gelingt aber auch keine sehr schnell arbeitende Innenfokussierung, sondern nur eine Rücklinsenfokussierung. Die eher schweren vorderen drei Linsen können fix stehen bleiben und die restlichen Gruppen bewegen sich. Das macht das Objektiv immerhin 1,9-mal schneller als den Canon Gegenspieler, gehört damit aber immer noch nicht zu den schnellsten Objektiven.  Eine fest stehende Frontlinse ermöglicht die perfekte Anpassung der Streulichtblende.  Sigma geht hier über das normale Maß hinaus und macht die Streulichtblende zweiteilig. Verwendet man die Blende an einer Crop Kamera, so kann man die normale Blende mit einem weiteren Ring verlängern.
Mit beiden Deckeln bringt das Canon 1001g auf die Waage, das Sigma begnügt sich mit 756g.

Rueckseite

Von hinten betrachtet zeigt die magische Canon Kugel, was eine Offenblende von 1,2 für einen Durchmesser bedeutet. Das Sigma kann sich an der Stelle noch eine kleine Streulichtblende im Bajonett erlauben. Auffällig ist, dass das Sigma wie bei Telebrennweiten üblich 8 Kontaktpins hat, die den Einsatz eines Telekonverters ermöglichen. Laut technischen Daten unterstützt das Sigma aber keine Konverter und der Versuch zeigt auch, dass sie nicht erkannt werden und daher der Fokus mit Konverter über das Ziel hinaus schießt. Warum Sigma hier ein Konverter taugliches Bajonett verbaut wissen wohl nur sie selbst.

Auflösungstest

Beim Schärfetest müssen die Objektive nun zeigen was sie optisch können. In der Bildmitte dürfen beide als offenblendentauglich bezeichnet werden.  Zwischen Blende 2,0 und 4,0 ist auch die letzte Ecke an einer 5DII mehr als nur brauchbar. Man sieht aber auch, dass Canon hier die Nase vorn hat.

Astrotest

Noch aussagekräftiger ist ein astronomischer Test. Der Planet Jupiter darf mit seinen Monden bei dieser Brennweite noch als Punktquelle angenommen werden und das Objektiv hat nun die schwierige Aufgabe das möglichst punktförmig abzubilden. Sind auch die in einer Linie angeordneten Monde zu erkennen hat das Objektiv die maximale Schärfe erreicht. Die chromatische Aberration ist bei beiden Objektiven deutlich zu sehen, was bei dieser Lichtstärke und Objektkontrast nicht sonderlich ungewöhnlich ist. Das Sigma neigt in der Ecke zu Koma, wodurch sich das Canon einen Vorsprung herausarbeiten kann. Bereits bei Blende 2,8 zeigt es in der Ecke alle Jupitermonde, das ist außergewöhnlich gut.

Astrotest2

Zum Vergleich noch ein etwa drei Jahre altes Vergleichsbild mit dem Canon 85/1,8. Hier fehlen die hohen Ortsfrequenzen am Bildrand, sonst kann es auch als sehr scharfe Linse bezeichnet werden.

Vignettierung

Der nächste Test dient der Vermessung der Vignettierung. Kauft man sich eine lichtstarke Festbrennweite, so möchte man auch gerne über das ganze Bildfeld die Lichtstärke nutzen können. Dass dies nicht möglich ist ist klar, aber der Wunsch ist durchaus legitim. Die beiden Grafen zeigen die effektive Blende in Abhängigkeit von der Bildhöhe. Das Canon kann die Lichtstärke in der Mitte relativ lange halten, sinkt zum Rand dann aber deutlich ab. Das Sigma spielt seine große Frontlinse mit 77 mm Filtergewinde gekonnt aus. Die geforderte Lichtstärke gilt zwar nur in der Mitte, dafür sinkt die Lichtstärke nur sanft und gleichmäßig ab.

Bokeh

Für die Portraitfotografie ist ein ausgewogener und unauffälliger Unschärfebereich gewünscht. Hier schenken sich beide Objektive nichts und zeigen das was sie sollen.

Spitzlichter

Bei den Spitzlichtern im Hintergrund sieht man noch einen Unterschied. Die Lichtführung ist beim Canon durch die große Hinterlinse etwas großzügiger, wodurch der Spiegelkasten gerne mal eine Ecke aus dem Unschärfekreis abknabbert.  Das Sigma kommt bei gleichen Bedingungen noch am Spiegelkasten vorbei, wobei es auch hier Stellen gibt in denen der Spiegelkasten im Strahlengang liegt. Bei weiter geschlossener Blende kann man die Blendenlamellen zählen. Canon besitzt 8, das Sigma mit 9 eine Lamelle mehr. Beide erzeugen ein relativ rundes Bild, wenn auch keinen perfekten Kreis.

Gerade bei diesen extremen Blenden ist es für die Kamera eine Herausforderung den Fokus auf den Punkt zu bekommen. Tests welche die Treffsicherheit zeigen sind nur schwer über Statistik umzusetzen, hier verlasse ich mich lieber auf mein Gefühl. Mit beiden Objektiven lässt sich gut arbeiten, wenn man sich an den extrem kleinen Schärfebereich gewöhnt hat. Der einzig merkbare Unterschied ist, dass das Sigma deutlich schneller am Ziel an kommt und damit bei sich bewegenden Objekten mehr Treffer erhält. Der manuelle Fokusring ist am Sigma etwas schwergängig. Das ist auf die Zahl der zu bewegenden Linsen in Verbindung mit dem USM Direkteingriff zurück zu führen.

Pro Canon 85/1,2:

  • Immer noch die Messlatte wenn es um Bildqualität bei dieser Brennweite geht
  • Gute Fertigungsqualität
  • 1/3 Blende lichtstärker in der Bildmitte als das Sigma
  • Image

Contra Canon 85/1,2:

  • Langsamer Autofokus
  • Deutliche Chromatische Aberration, aber normal für diese Öffnung
  • Teuer in der Reparatur und Anschaffung (Tausch AF Modul liegt bei 1000 Euro)
  • Focus by wire Prinzip. Zur Fokussierung ist auch manuell Strom notwendig
  • Nahabstand von 0,95m manchmal etwas lang

Pro Sigma 85/1,4:

  • Bisher schnellster AF für ein 85/1,4 mit Canon Anschluss
  • Bildmitte auch bei Offenblende sehr scharf
  • Gleichmäßige und eher unauffällige Vignettierung
  • Gutes Preis Leistungsverhältnis
  • Akzeptable Naheinstellgrenze von 0,85m
  • Mit 9 Lamellen sehr runde Blende
  • Modulare Streulichtblende

Contra Sigma 85/1,4:

  • Für perfekt scharfe Ecken muss bei Vollformat relativ weit abgeblendet werden
  • Deutliche Chromatische Aberration, aber normal für diese Öffnung
  • Die Oberflächenbeschichtung vom Gehäuse könnte mit dem Alter unansehnlich werden

Fazit:

Das Gefühl sagt Canon, der Verstand sagt Sigma. Das Glasauge von Canon wird nicht zu Unrecht als eines der besten Objektive im Sortiment gehandelt, das Sigma ist aber vielseitiger einsetzbar und braucht sich optisch nicht zu verstecken, zudem kostet es nicht mal die Hälfte.

Beispielbilder Sigma 85/1,4:

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